Eiscreme und die 10.000 Schritte

Zazen ist eine Haltung des Mitgefühls und des Mitempfindens. Aufrecht sitzend, mit fließendem Atem begegnen wir den Dingen, erkennen und respektieren wir einander. Klar und unmissverständlich ruft uns unser Leben, klar und deutlich geben wir ihm eine Antwort aus der Tiefe unseres Atems heraus. Diese erscheint plötzlich, wenn wir still genug geworden sind, um die Dinge beim Namen zu nennen. Alles steht mit allem in Verbindung und fügt sich ein in den uralten Rhythmus von Raum, Zeit und Klang.

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Mitgefühl wiederum benötigt eine Haltung, einen Rahmen, in dem es sich aufhalten und in dem es wachsen kann. Sonst wird es nicht nachhaltig sein und rasch vergehen, eine schwebende Emotion ohne eine feste Basis. Zazen kann einen derartigen Rahmen anbieten: solide und uralt vermag es das Zazen, unseren Körper, unseren Atem und unseren Kopf miteinander in schwingenden Einklang zu bringen.

Hierdurch tritt eine oftmals ungewohnte Nähe hervor, die manche anfangs als intime Zumutung erfahren mögen. Gleichzeitig entsteht Distanz und Disidentifikation, was in guter Zen-Tradition scheinbar paradox notwendig ist für eine solide Haltung des Mitgefühls. Um „mit allen“ fühlen zu können, muss ich mich auf einen gewissen Abstand zu mir selbst einlassen, zumindest so viel an Abstand, dass ich mich selbst ein wenig betrachten kann. Riesiges Gefühl, weite Distanz. Eiscreme für alle und 10.000 Schritte pro Tag. Das ist das Leben eines Bodhisattvas.

Gassho,
Juen und Nanzan


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