February 2023
Groß ist das Gewand der Freiheit III
25.02.2023
Wenn Du ein Priester sein möchtest, verhalte Dich wie einer.
Joko Beck
Vor kurzem haben wir das Koan 23 aus dem Mumonkan besprochen:
Der Mönch Myo verfolgte den sechsten Patriarchen (Huineng; Daikan Eno), nachdem diesem nachts von seinem Lehrer die Dharma-Nachfolge übertragen worden war. Als er ihn eingeholt hatte, versuchte er, die Robe, die Huineng übergeben worden war, hochzuheben. Es gelang ihm nicht. Sie war „so unbeweglich wie ein Berg“.
Wieso konnte er sie nicht hochheben?
Was an ihr konnte er nicht ausfüllen?
Worin zeigt sich der Mensch hinter der Robe?
Was wurde übertragen?
Wie sieht unsere Robe aus?
Wann ist sie uns nützlich?
Die beste Robe ist die, die wir nicht sehen. Die wir daher auch weder an- noch ablegen müssen. Sie gehört zu uns wie es zu uns gehört, „die Augen waagrecht und die Nase senkrecht zu tragen“.
Wir müssen uns nicht erst ihrer besinnen. Wir werden durch sie weder hübscher, besser, noch heiliger. Wir brauchen sie nicht. Sie macht uns nicht zu irgendetwas.
Wenn wir sie ganz ausfüllen, sind wir Schale und Gewand - so wie wir merken, ob das Wasser, das wir trinken, warm ist oder kalt. Nichts Geheimes - und dennoch tief verborgen.
Wenn Du Dich auf Dein wahres Angesicht besinnst, findest Du das Geheime in Dir Selbst.
Mumonkan, Fall 23
Gasso, Juen
Joko Beck
Vor kurzem haben wir das Koan 23 aus dem Mumonkan besprochen:
Der Mönch Myo verfolgte den sechsten Patriarchen (Huineng; Daikan Eno), nachdem diesem nachts von seinem Lehrer die Dharma-Nachfolge übertragen worden war. Als er ihn eingeholt hatte, versuchte er, die Robe, die Huineng übergeben worden war, hochzuheben. Es gelang ihm nicht. Sie war „so unbeweglich wie ein Berg“.
Wieso konnte er sie nicht hochheben?
Was an ihr konnte er nicht ausfüllen?
Worin zeigt sich der Mensch hinter der Robe?
Was wurde übertragen?
Wie sieht unsere Robe aus?
Wann ist sie uns nützlich?
Die beste Robe ist die, die wir nicht sehen. Die wir daher auch weder an- noch ablegen müssen. Sie gehört zu uns wie es zu uns gehört, „die Augen waagrecht und die Nase senkrecht zu tragen“.
Wir müssen uns nicht erst ihrer besinnen. Wir werden durch sie weder hübscher, besser, noch heiliger. Wir brauchen sie nicht. Sie macht uns nicht zu irgendetwas.
Wenn wir sie ganz ausfüllen, sind wir Schale und Gewand - so wie wir merken, ob das Wasser, das wir trinken, warm ist oder kalt. Nichts Geheimes - und dennoch tief verborgen.
Wenn Du Dich auf Dein wahres Angesicht besinnst, findest Du das Geheime in Dir Selbst.
Mumonkan, Fall 23
Gasso, Juen
Groß ist das Gewand der Freiheit II
25.02.2023
Geht es auch ohne „Schale und Gewand“? Brauchen wir so etwas heute überhaupt noch?
Zunächst einmal ist die Zen-Praxis Teil einer zwei Jahrtausende alten Tradition, dem Buddhismus. Dieser hat heute (wie damals) viele Gesichter. Aber einen Stamm, eine historische Herkunft, die unter anderem auch bestimmte Formen beinhaltet, von denen wir viel lernen können. Die Regeln und Formen des Zen ebnen uns den Weg zur Freiheit.
Hierüber haben wir oft gesprochen (u.a. Kapitel 3; „Großes Herz weiter Horizont“).
Benötigen wir ein Kesa, um das Feld der Befreiung pflügen zu können? Die Robe ist auch: eine Erinnerung an unser Gelöbnis. Es ist gut, Dinge auszusprechen, sie zu bekunden und sich dann daran zu halten.
Sie ist ferner eine Hommage an unsere Lehrerinnen und Lehrer, die vor uns diesen edlen Weg, oft um etliches beschwerlicher als der unsrige, beschritten haben.
Sie ist darüber hinaus eine Tür, ein Werkzeug, eine Ermutigung, sie vollkommen auszufüllen. Mit allem, was wir haben. Mit allem, was wir sind. Mit allem, was uns gegeben wird.
Wir legen sie an und blicken gleichzeitig zurück wie wir auch nach vorne gehen. Sie ist eine Robe mit vielen Farben. Die gesamte Fülle unseres Lebens, alles was wir immer schon waren, werden können und möchten, ist in ihr enthalten. Gibt es dann noch einen Grund, sie beim Klang der Glocke nicht anzulegen?
Gassho, Juen
Zunächst einmal ist die Zen-Praxis Teil einer zwei Jahrtausende alten Tradition, dem Buddhismus. Dieser hat heute (wie damals) viele Gesichter. Aber einen Stamm, eine historische Herkunft, die unter anderem auch bestimmte Formen beinhaltet, von denen wir viel lernen können. Die Regeln und Formen des Zen ebnen uns den Weg zur Freiheit.
Hierüber haben wir oft gesprochen (u.a. Kapitel 3; „Großes Herz weiter Horizont“).
Benötigen wir ein Kesa, um das Feld der Befreiung pflügen zu können? Die Robe ist auch: eine Erinnerung an unser Gelöbnis. Es ist gut, Dinge auszusprechen, sie zu bekunden und sich dann daran zu halten.
Sie ist ferner eine Hommage an unsere Lehrerinnen und Lehrer, die vor uns diesen edlen Weg, oft um etliches beschwerlicher als der unsrige, beschritten haben.
Sie ist darüber hinaus eine Tür, ein Werkzeug, eine Ermutigung, sie vollkommen auszufüllen. Mit allem, was wir haben. Mit allem, was wir sind. Mit allem, was uns gegeben wird.
Wir legen sie an und blicken gleichzeitig zurück wie wir auch nach vorne gehen. Sie ist eine Robe mit vielen Farben. Die gesamte Fülle unseres Lebens, alles was wir immer schon waren, werden können und möchten, ist in ihr enthalten. Gibt es dann noch einen Grund, sie beim Klang der Glocke nicht anzulegen?
Gassho, Juen
Groß ist das Gewand der Freiheit I
25.02.2023
Vor kurzem haben wir uns, anlässlich unseres Themas „Gelöbnis“ über den „Vers des Kesa“ ausgetauscht.
Wie groß ist das Gewand der Freiheit
Ein Feld des Glücks jenseits aller Formen
Nun trage ich des Tathagatas Lehre
Um alle Wesen zu befreien.
Seit Meister Dogen aus China zurückkehrte, wird dieser Vers in den Soto Zen-Klöstern rezitiert. Dogen schildert in einem Kapitel des Shobogenzo, wie tief ihn dieses Ritual beeindruckt hat. Was kann uns diese Tradition 800 Jahre später sagen?
Die Robe diente zur Zeit der Entstehung der Gefolgschaft Buddhas als Erkennungsmerkmal. Der Legende nach sah der Buddha in der Gegend von Magadha Reisfelder und bat Ananda, ein Tuch nach diesem Muster zu entwerfen.
Das Gewand der Befreiung wird heute aus einem intakten, hübschen Stoffballen gewonnen, indem wir es in viele kleine Stücke schneiden. Damals sammelten die Mönche Stoffreste, vorzugsweise getragene, und färbten sie in gedeckten Farben. Dabei spielte es keine Rolle, ob das Tuch zuvor einem Kranken, einem Verstorbenen oder einem Kastenlosen gehört hatte – für die damalige Zeit so mutig wie ungewöhnlich.
So ist auch der Faden sozialer Gerechtigkeit über die Jahrtausende hinweg bis zu uns gewandert. Er verbindet, wie verpflichtet uns: hin zu gemeinsamer, geteilter Freiheit.
Die Teile des Kesa kamen von überall her. Sie bleiben bis heute noch eine Weile bestehen in Form des neuen Gewandes – bis auch dieses verschlissen sein wird und den Elementen anheimfällt. Somit ist in das Kesa der Faden der Vergänglichkeit gewirkt – Form gewordene Manifestation unseres eigenen Schicksals. Doch hat Wandel und Veränderung nicht auch etwas Befreiendes?
Wozu dann noch festhalten, wenn die Dinge uns ohnehin aus der Hand genommen werden? Warum nicht „die Faust öffnen“ und spüren, dass nahezu alles, was wir brauchen, uns gegeben wird? (Insofern wir nicht in einem Kriegsgebiet leben und unsere elementaren Grundbedürfnisse erfüllt werden können.)
Unser Gewand als verdienstvolles Feld. Für Zen-Praktizierende gilt mit zunehmender Tiefe der Übung: wenn wir etwas geschenkt bekommen, möchten wir es weitergeben. Das ist das „Feld des Glücks“. Es ist nicht beschreibbar, da nur erfahrbar und hat keine feste Form. Insofern ist das Kesa ein Symbol für unser Feld des Lebens, für das, was wir darin ausdrücken und verwirklichen möchten. Es hat zudem nicht nur eine Form, sondern 108 Arme, Augen und Hände, 109 tägliche Möglichkeiten zu üben, zu geben und weiterzureichen. Unser Gewand als Symbol unseres Lebensfeldes. Inwiefern wir es zu einem „Feld des Glücks jenseits aller Formen“ erblühen lassen, ist ganz bei uns, im herannahenden Frühling wie zu Winterzeiten.
Gassho, Juen
Wie groß ist das Gewand der Freiheit
Ein Feld des Glücks jenseits aller Formen
Nun trage ich des Tathagatas Lehre
Um alle Wesen zu befreien.
Seit Meister Dogen aus China zurückkehrte, wird dieser Vers in den Soto Zen-Klöstern rezitiert. Dogen schildert in einem Kapitel des Shobogenzo, wie tief ihn dieses Ritual beeindruckt hat. Was kann uns diese Tradition 800 Jahre später sagen?
Die Robe diente zur Zeit der Entstehung der Gefolgschaft Buddhas als Erkennungsmerkmal. Der Legende nach sah der Buddha in der Gegend von Magadha Reisfelder und bat Ananda, ein Tuch nach diesem Muster zu entwerfen.
Das Gewand der Befreiung wird heute aus einem intakten, hübschen Stoffballen gewonnen, indem wir es in viele kleine Stücke schneiden. Damals sammelten die Mönche Stoffreste, vorzugsweise getragene, und färbten sie in gedeckten Farben. Dabei spielte es keine Rolle, ob das Tuch zuvor einem Kranken, einem Verstorbenen oder einem Kastenlosen gehört hatte – für die damalige Zeit so mutig wie ungewöhnlich.
So ist auch der Faden sozialer Gerechtigkeit über die Jahrtausende hinweg bis zu uns gewandert. Er verbindet, wie verpflichtet uns: hin zu gemeinsamer, geteilter Freiheit.
Die Teile des Kesa kamen von überall her. Sie bleiben bis heute noch eine Weile bestehen in Form des neuen Gewandes – bis auch dieses verschlissen sein wird und den Elementen anheimfällt. Somit ist in das Kesa der Faden der Vergänglichkeit gewirkt – Form gewordene Manifestation unseres eigenen Schicksals. Doch hat Wandel und Veränderung nicht auch etwas Befreiendes?
Wozu dann noch festhalten, wenn die Dinge uns ohnehin aus der Hand genommen werden? Warum nicht „die Faust öffnen“ und spüren, dass nahezu alles, was wir brauchen, uns gegeben wird? (Insofern wir nicht in einem Kriegsgebiet leben und unsere elementaren Grundbedürfnisse erfüllt werden können.)
Unser Gewand als verdienstvolles Feld. Für Zen-Praktizierende gilt mit zunehmender Tiefe der Übung: wenn wir etwas geschenkt bekommen, möchten wir es weitergeben. Das ist das „Feld des Glücks“. Es ist nicht beschreibbar, da nur erfahrbar und hat keine feste Form. Insofern ist das Kesa ein Symbol für unser Feld des Lebens, für das, was wir darin ausdrücken und verwirklichen möchten. Es hat zudem nicht nur eine Form, sondern 108 Arme, Augen und Hände, 109 tägliche Möglichkeiten zu üben, zu geben und weiterzureichen. Unser Gewand als Symbol unseres Lebensfeldes. Inwiefern wir es zu einem „Feld des Glücks jenseits aller Formen“ erblühen lassen, ist ganz bei uns, im herannahenden Frühling wie zu Winterzeiten.
Gassho, Juen