July 2023
Vom Fuß voran und vom Fuß hintan
15.07.2023
Der sechste Ahne Huineng war auf Reisen und übernachtete im Kloster Faxing unter dem Tempelvordach. Während er sein Lager vorbereitete, hörte er ein Streitgespräch von zwei Mönchen. Der eine von ihnen sagte: „Du siehst doch, dass die Tempelfahne sich bewegt.“
Der andere antwortete: „Nein, der Wind bewegt sich.“
So ging es für eine Weile hin und her, ohne dass sie sich einigen konnten.
Der sechste Ahne ging daraufhin auf sie zu und sprach: “Würdet Ihr bitte so freundlich sein und diesem Laien erlauben, mich zu Eurer erhabenen Runde hinzuzugesellen?“
Nach einer Pause sagte er: “Weder der Wind noch die Fahne sind es, die sich bewegen. Es ist ganz einfach Euer Geist, der sich bewegt.“
Was war zuerst da, Ursache oder Wirkung? Normalerweise denken wir, dass eine Ursache eine Wirkung entfacht, aber funktioniert es auch andersum?
Unsere Sicht der Welt wird bestimmt durch den Fokus unserer Aufmerksamkeit. Lege ich diesen auf meine Intention, kann ich in meinem Wirkungskreis Kriege entfachen oder Frieden hervorbringen. Wo sitzt meine Intention? Wie wird sie beeinflusst? Wo vernehme ich sie in meinem Körper? Welche Gestalt möchte ich ihr jeweils geben?
Seit Heisenberg wissen wir, dass jede Art von Beobachtung die Existenz der beobachteten Objekte beeinflusst. Nun geht in unserer Praxis weder um Atomphysik, noch um Psychotherapie oder um philosophische Diskurse.
Es geht darum, die Bewegung - bis in das feinste Lüftchen - unseres Geistes wahrzunehmen. Um daraufhin zu entscheiden, welche Winde wir in Handlungen umwandeln möchten und welche wir besser durch uns durch wehen lassen sollten.
Was möchten wir bewegen? Wofür möchten wir uns bewegen lassen? Und wie können wir beides miteinander verbinden?
Der ganze Körper ist wie ein Mund
der im Raum hängt -
nicht fragend, ob der Wind aus Osten,
Westen, Süden oder Norden weht.
Für die gesamte Welt gleich,
lehrt die Windglocke Prajna:
ju ten ton ri an ju ten ton.
Tendo Nyojo
Gassho, Juen
Der andere antwortete: „Nein, der Wind bewegt sich.“
So ging es für eine Weile hin und her, ohne dass sie sich einigen konnten.
Der sechste Ahne ging daraufhin auf sie zu und sprach: “Würdet Ihr bitte so freundlich sein und diesem Laien erlauben, mich zu Eurer erhabenen Runde hinzuzugesellen?“
Nach einer Pause sagte er: “Weder der Wind noch die Fahne sind es, die sich bewegen. Es ist ganz einfach Euer Geist, der sich bewegt.“
Was war zuerst da, Ursache oder Wirkung? Normalerweise denken wir, dass eine Ursache eine Wirkung entfacht, aber funktioniert es auch andersum?
Unsere Sicht der Welt wird bestimmt durch den Fokus unserer Aufmerksamkeit. Lege ich diesen auf meine Intention, kann ich in meinem Wirkungskreis Kriege entfachen oder Frieden hervorbringen. Wo sitzt meine Intention? Wie wird sie beeinflusst? Wo vernehme ich sie in meinem Körper? Welche Gestalt möchte ich ihr jeweils geben?
Seit Heisenberg wissen wir, dass jede Art von Beobachtung die Existenz der beobachteten Objekte beeinflusst. Nun geht in unserer Praxis weder um Atomphysik, noch um Psychotherapie oder um philosophische Diskurse.
Es geht darum, die Bewegung - bis in das feinste Lüftchen - unseres Geistes wahrzunehmen. Um daraufhin zu entscheiden, welche Winde wir in Handlungen umwandeln möchten und welche wir besser durch uns durch wehen lassen sollten.
Was möchten wir bewegen? Wofür möchten wir uns bewegen lassen? Und wie können wir beides miteinander verbinden?
Der ganze Körper ist wie ein Mund
der im Raum hängt -
nicht fragend, ob der Wind aus Osten,
Westen, Süden oder Norden weht.
Für die gesamte Welt gleich,
lehrt die Windglocke Prajna:
ju ten ton ri an ju ten ton.
Tendo Nyojo
Gassho, Juen
Äonisches Feuer
05.07.2023
Ein Mönch fragte Daizui: „Wenn das große äonische Feuer ausbricht, wird das gesamte Universum zerstört werden. Ich frage mich: wird Dies auch zerstört werden?“
Daizui sagte: „Zerstört.“
Der Mönch sagte: „Also wird Dies mit allem anderen vergehen?“
Daizui sagte: „Mit allem anderen vergangen.“
Ein Mönch fragte Ryusai: „Wenn das große äonische Feuer ausbricht, wird das gesamte Universum zerstört werden. Ich frage mich: wird Dies auch zerstört werden?“
Ryusai sagte: „Nicht zerstört.“
Der Mönch fragte: „Warum wird Dies nicht zerstört?“
Ryusai sagte: „Weil es dasselbe ist wie das gesamte Universum.“
Shoyoroku, Fall 30
Feuer hat eine enorme Zerstörungskraft. Feuer agiert auch als Beschleuniger. Was wird zerstört, wenn wir mit „brennenden Haaren“ üben?
Was wird freigelegt? Was kann darauf keimen?
Was entsteht jeden Augenblick neu? Was „verbrennt“? Was ist tot, was ist lebendig?
Natürlich sind das unlösbare Fragen. Das Leben ist eine einzige unlösbare Aufgabe. Im Zazen haben wir die Möglichkeit, darauf zu vertrauen, dass sich Lösungen ergeben werden, wenn wir die Geduld, den Mut und die Ehrlichkeit besitzen, sie erscheinen und uns von ihnen leiten zu lassen.
Es werden neue Fragen entstehen, die andere Lösungen erforderlich machen. Frage und Antwort, Angebot und Wahlvorgang, weite Landschaften und sekundenspitze Augenblicke gemeinsam halten, miteinander verbinden und zu etwas Neuem formieren zu können, wenn der Moment es gebietet, das ist Zazen.
Gassho, Juen
Daizui sagte: „Zerstört.“
Der Mönch sagte: „Also wird Dies mit allem anderen vergehen?“
Daizui sagte: „Mit allem anderen vergangen.“
Ein Mönch fragte Ryusai: „Wenn das große äonische Feuer ausbricht, wird das gesamte Universum zerstört werden. Ich frage mich: wird Dies auch zerstört werden?“
Ryusai sagte: „Nicht zerstört.“
Der Mönch fragte: „Warum wird Dies nicht zerstört?“
Ryusai sagte: „Weil es dasselbe ist wie das gesamte Universum.“
Shoyoroku, Fall 30
Feuer hat eine enorme Zerstörungskraft. Feuer agiert auch als Beschleuniger. Was wird zerstört, wenn wir mit „brennenden Haaren“ üben?
Was wird freigelegt? Was kann darauf keimen?
Was entsteht jeden Augenblick neu? Was „verbrennt“? Was ist tot, was ist lebendig?
Natürlich sind das unlösbare Fragen. Das Leben ist eine einzige unlösbare Aufgabe. Im Zazen haben wir die Möglichkeit, darauf zu vertrauen, dass sich Lösungen ergeben werden, wenn wir die Geduld, den Mut und die Ehrlichkeit besitzen, sie erscheinen und uns von ihnen leiten zu lassen.
Es werden neue Fragen entstehen, die andere Lösungen erforderlich machen. Frage und Antwort, Angebot und Wahlvorgang, weite Landschaften und sekundenspitze Augenblicke gemeinsam halten, miteinander verbinden und zu etwas Neuem formieren zu können, wenn der Moment es gebietet, das ist Zazen.
Gassho, Juen
Tozans Krankheit
05.07.2023
Tozan war krank. Ein Mönch fragte: Meister, Du bist krank. Gibt es jemanden, der nicht krank ist?
Tozan antwortete: „Ja, den gibt es.“
Der Mönch fragte: „Schaut derjenige, der nicht krank ist, nach Dir?“
Tozan sagte: „Dieser alte Mönch kann sich um andere kümmern.“
Der Mönch erwiderte: „Lehrer, wie ist es, wenn Du Dich um andere kümmerst?“
Tozan sagte: „Dann wird Kranksein nicht gesehen.“
Shoyoroku, Fall 94
Nicht nur im Gesundheitswesen haben wir die Neigung, uns darauf zu konzentrieren, was nicht funktioniert, was wir als unerwünscht oder fehlerhaft, als „krank“ erachten.
Wir denken dann oft, dass „alles“ nicht gesund sei, weil diese Krankheit, dieses Fehlerhafte gerade unseren Horizont vollkommen erfüllt.
Dies gilt im Bereich der somatischen Erkrankungen, insbesondere für die chronischen Erkrankungen. In unserem Alltag gibt es, auch ohne pathophysiologisches Korrelat, ebenfalls vieles, was wir täglich als „unerwünscht“ oder auch als „krank“ erachten.
Auch hiervon handelt dieses Koan.
Tozan ist offensichtlich krank, in den Berichten zu diesem Koan war er schwerkrank.
In dieser Situation kommt nun ein besorgter Mönch zu ihm, dem offensichtlich schwach Daniederliegenden, und fragt ihn nach jemandem, in ihm, der nicht so krank sei.
Natürlich wäre Tozan nicht der überlieferte Meister, wenn er seinen Dharmabruder lediglich verdutzt ansehen und über seine aktuellen Gebrechen klagen würde.
Stattdessen sagt er: „Ja, den gibt es!“
Der erfahrene Mönch greift dies auf und fragt, psychologisch gesprochen, nach seinen Ressourcen: „schaut derjenige auch nach Dir?“
Tozan bestätigt, dass das Schauen und Kümmern trotz seiner schweren Krankheit ungebrochen aktiv ist und er bereit ist, zu helfen.
Wiederum greift der weise Mönch dies auf und fragt tiefer: „Wie ist das, wenn Du Dich (da Du selbst gerade so krank bist), darin noch um andere kümmerst?“
Tozan bestätigt, was der Mönch eventuell bereits erahnt: „dann wird Kranksein nicht gesehen.“
Das bedeutet so viel wie: Kranksein an sich wird nicht gesehen. Weil es gerade um etwas anderes geht. Weil das Leben mir eine andere Aufgabe stellt.
Es bedeutet auch: mein Kranksein wird nicht gesehen. Ich muss mich kümmern. Ich muss eine Anfrage beantworten. Weil ich ein Zenschüler, ein Zenlehrer, ein Zenmeister bin. Weil ich die Bodhisattva-Gelöbnisse abgelegt habe. Weil in meinem Kümmern um andere auch mein Kümmern um mich selbst Platz hat. Weil ich hier bin, um zu dienen. Weil ich ein Mensch bin.
Gassho, Juen
Tozan antwortete: „Ja, den gibt es.“
Der Mönch fragte: „Schaut derjenige, der nicht krank ist, nach Dir?“
Tozan sagte: „Dieser alte Mönch kann sich um andere kümmern.“
Der Mönch erwiderte: „Lehrer, wie ist es, wenn Du Dich um andere kümmerst?“
Tozan sagte: „Dann wird Kranksein nicht gesehen.“
Shoyoroku, Fall 94
Nicht nur im Gesundheitswesen haben wir die Neigung, uns darauf zu konzentrieren, was nicht funktioniert, was wir als unerwünscht oder fehlerhaft, als „krank“ erachten.
Wir denken dann oft, dass „alles“ nicht gesund sei, weil diese Krankheit, dieses Fehlerhafte gerade unseren Horizont vollkommen erfüllt.
Dies gilt im Bereich der somatischen Erkrankungen, insbesondere für die chronischen Erkrankungen. In unserem Alltag gibt es, auch ohne pathophysiologisches Korrelat, ebenfalls vieles, was wir täglich als „unerwünscht“ oder auch als „krank“ erachten.
Auch hiervon handelt dieses Koan.
Tozan ist offensichtlich krank, in den Berichten zu diesem Koan war er schwerkrank.
In dieser Situation kommt nun ein besorgter Mönch zu ihm, dem offensichtlich schwach Daniederliegenden, und fragt ihn nach jemandem, in ihm, der nicht so krank sei.
Natürlich wäre Tozan nicht der überlieferte Meister, wenn er seinen Dharmabruder lediglich verdutzt ansehen und über seine aktuellen Gebrechen klagen würde.
Stattdessen sagt er: „Ja, den gibt es!“
Der erfahrene Mönch greift dies auf und fragt, psychologisch gesprochen, nach seinen Ressourcen: „schaut derjenige auch nach Dir?“
Tozan bestätigt, dass das Schauen und Kümmern trotz seiner schweren Krankheit ungebrochen aktiv ist und er bereit ist, zu helfen.
Wiederum greift der weise Mönch dies auf und fragt tiefer: „Wie ist das, wenn Du Dich (da Du selbst gerade so krank bist), darin noch um andere kümmerst?“
Tozan bestätigt, was der Mönch eventuell bereits erahnt: „dann wird Kranksein nicht gesehen.“
Das bedeutet so viel wie: Kranksein an sich wird nicht gesehen. Weil es gerade um etwas anderes geht. Weil das Leben mir eine andere Aufgabe stellt.
Es bedeutet auch: mein Kranksein wird nicht gesehen. Ich muss mich kümmern. Ich muss eine Anfrage beantworten. Weil ich ein Zenschüler, ein Zenlehrer, ein Zenmeister bin. Weil ich die Bodhisattva-Gelöbnisse abgelegt habe. Weil in meinem Kümmern um andere auch mein Kümmern um mich selbst Platz hat. Weil ich hier bin, um zu dienen. Weil ich ein Mensch bin.
Gassho, Juen