October 2021

Dharmablume dreht Dharmablume

Frage 13: Sollte Zazen von Laien, von Frauen und Männern oder nur von Mönchen geübt werden?
Antwort: Die Alten sagen: Im Verstehen des BuddhaDharma gibt es keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern, Edelleuten und dem gemeinen Volk.

Dogen Zenji, Bendowa



Im Rahmen unserer Übungszeit im Herbst (Ango) widmen wir uns den Fragen um das Zazen, auch anlässlich der Wiederaufnahme des Zusammenkommens in Musanji.
Die obige Frage, in der Wortwahl des 13. Jahrhunderts, ist heute noch aktuell. Zwar scheint der Unterschied "Mönche und Laien" vielleicht nicht übertragbar, denn die Zen-Praxis im Westen ist überwiegend eine Laienpraxis geworden. Dennoch kann die Frage erlaubt sein, ob es für jemanden, der oder die sich länger und intensiver der Übung widmen kann, vielleicht sogar über mehrere Jahre, einen Unterschied im Verstehen gibt?

Hiermit ist ein Verstehen im Sinne von Erfahrung, intellektuellem Erfassen und praktischer Umsetzung gemeint. Bei ersterem ist der Vorteil eines Rückzugs aus der Welt der "10.000 Dinge" nachvollziehbar. Wir lassen die Angelegenheiten des alltäglichen Lebens ruhen und widmen uns der Erfahrung des Zazen. Diese werden in reduzierter Umgebung zwar nicht automatisch "tiefer" oder "vollständiger", aber die günstigeren Rahmenbedingungen können zumindest dabei unterstützen, dass die Erfahrungsdichte steigt.
Daraus kann ein verstärktes intellektuelles Erfassen resultieren – denn dies ist die Folge der durchlebten Erfahrung.

Bleibt das dritte: die praktische Umsetzung.
Natürlich gibt es hierfür auch in einem Sesshin oder während eines Klosteraufenthaltes viele Gelegenheiten. So richtig "von Angesicht zu Angesicht" wird sich jedoch unsere Handlung erst erproben können, wenn wir vom Berg absteigen und uns wieder inmitten des trubeligen Marktplatzes befinden. Wie wir mit den scheinbar alltäglichen, gewöhnlichen, routinemäßig einstudierten und hoffentlich immer wieder hinterfragten Dingen unseres Alltags, mit seinen Menschen, Lebewesen und Objekten umgehen, wie wir dauerhaft damit üben, darin besteht unsere eigentliche Praxis.

Zazen ist erwachtes, sichtbares Handeln, das aus der Stille kommt.
Und genau hierin gibt es für Meister Dogen, der mit dieser Haltung seiner Zeit sowohl in spiritueller als auch in soziologischer Hinsicht um etliche Jahrhunderte voraus war, keinen Unterschied in Herkunft oder Geschlecht.
Mit anderen Worten: wir haben keine Ausrede.
Zazen!

Fernlanges Herbstlicht
Sehnt gen Horizont
Wo einzelne Sonnenstrahlen
Lautlose Purzelbäume schlagen
Formvollendet
Schwebt ein junger Schwan
Über die blaue Ewigkeit
Dieses nebligen Morgens
Wer trägt wen?


Gassho,
Juen




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Dankbarkeit

Im Rahmen des letzten Treffens vor unserer Herbst-Ango hatten wir uns mehrfach, auch anlässlich unserer Erfahrungen mit der aktuellen Pandemie, über Hoffnung, Trauer und Dankbarkeit ausgetauscht.
Auf den ersten Blick scheinen Trauer und Dankbarkeit nur wenig miteinander zu tun zu haben.

Über die Dankbarkeit haben wir schon oft gesprochen als eine Praxis, die zu Einsicht führen kann. Die Praxis der Dankbarkeit als einer der Wege, der uns dabei unterstützt, erwachsen zu werden.

Der Buddha spricht auch von Dankbarkeit als dem Gegenmittel der drei Geistesgifte Gier, Hass und Verblendung. Gier – oder unser „Haben-wollen“ sagen uns, dass etwas fehlt. Dankbarkeit vergewissert uns, dass wir genug haben.
Ferner fördert Dankbarkeit auch das dritte Paramita: die Geduld, bekanntlich eines der schwierigsten der Paramitas und zugleich auch ein wichtiges Bindeglied zum steten Bemühen, zu unserem Atem, zu unserem Glücklichsein.

Der Gründer unserer Schule, Dogen Zenji, schreibt in seinem Kapitel Gyoji:
Fortwährende Übung, Tag für Tag, ist die angemessenste Weise, unsere Dankbarkeit auszudrücken. Dies bedeutet, dass du ununterbrochen in der Übung bleibst, ohne einen einzigen Tag deines Lebens zu vergeuden, ohne ihn nur um deiner selbst willen zu nutzen. Warum ist dies so? Dein Leben ist die glückliche Folge der fortwährenden Übung aus der Vergangenheit. Daher solltest du deine Dankbarkeit unmittelbar zum Ausdruck bringen.

Natürlich fällt es uns in widrigen Zeiten schwer, dankbar zu sein. Und doch zeichnet sich zum Beispiel die Trauer um den Verlust eines geliebten Menschen durch einen hohen Anteil an Dankbarkeit aus: über die gemeinsame Zeit, die geteilten Erinnerungen, das Gefühl der Verbundenheit und Nähe, das in uns weiterlebt und über die vielen glücklichen Momente, die wie aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, so nahe und greifbar sind sie im jetzigen Augenblick.
Dankbarkeit stellt eine Haltung dar, die wir bewusst immer wieder einnehmen können. Sie muss von innen kommen und kann nicht verordnet werden. Daher wird echte Dankbarkeit auch daran erkennbar sein, dass sie unser Leiden lindert. Dies tut sie auch deswegen, weil Dankbarkeit Verbindung schafft, weil sie eint und weil sie Pole zusammenfügen kann.
Das macht sie so lebendig und deswegen ist Dankbarkeit eine einfache, wirkungsstarke Praxis, mit der wir den Boden auf dem wir üben, etwas solider und zugleich um ein Vielfaches leichter werden lassen können.

Indem wir die Dankbarkeit leben, die wir nicht spüren, beginnen wir die Dankbarkeit zu spüren, die wir leben.
Bruder David Steindl-Rast


Gassho,
Juen und Nanzan


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