Seminar am Benediktushof
21.09.2024
In der vergangenen Woche fand von Sonntag bis Freitag ein für uns thematisch neues Seminar am Benediktushof statt, das sich damit beschäftigte, was es aus der Zen-Perspektive bedeutet, Sorge zu tragen: für andere, für mich, für die Welt.
Viele der Teilnehmenden kamen aus den Bereichen der ehren- und der hauptamtlichen Hospiz- und Palliativarbeit.
Die Tage waren der Sorge, dem Lauschen, dem Wahrnehmen sowie der Begegnung gewidmet. Am Vormittag stand Zazen, die Arbeit am Hof sowie der Vortrag auf dem Programm. In den Nachmittags-Einheiten gab es genügend Gelegenheit für einen regen Austausch.
Wie eine Teilnehmerin es treffend formulierte: Zen und die Hospizarbeit haben sehr viel gemeinsam - sie sind Zwillinge!
Dies hat uns zu einem weiteren Seminar ermutigt, das vom 14.9. bis 19.9.2025 erneut im schönen Benediktushof stattfinden wird.
Viele der Teilnehmenden kamen aus den Bereichen der ehren- und der hauptamtlichen Hospiz- und Palliativarbeit.
Die Tage waren der Sorge, dem Lauschen, dem Wahrnehmen sowie der Begegnung gewidmet. Am Vormittag stand Zazen, die Arbeit am Hof sowie der Vortrag auf dem Programm. In den Nachmittags-Einheiten gab es genügend Gelegenheit für einen regen Austausch.
Wie eine Teilnehmerin es treffend formulierte: Zen und die Hospizarbeit haben sehr viel gemeinsam - sie sind Zwillinge!
Dies hat uns zu einem weiteren Seminar ermutigt, das vom 14.9. bis 19.9.2025 erneut im schönen Benediktushof stattfinden wird.
Dogen Zenji
14.09.2024
Wir haben kürzlich einen Teil des diesjährigen Danas in acht Bände der Übersetzung von Dogens Shobogenzo investiert: das "Soto Zen Text project" ist das Ergebnis einer jahrelangen Zusammenarbeit der "School of humanity and sciences" der Stanford University. Der renommierte Professor für Orientalistik Carl Bielefeldt ist der Herausgeber, zu den Übersetzern gehört auch William Bodiford. Die Übersetzung ist reich an Querverweisen und Kommentaren.
Wir freuen uns, die Wind und Wolken Sangha in den nächsten Jahren mit Auszügen daraus beglücken zu können!
Wir freuen uns, die Wind und Wolken Sangha in den nächsten Jahren mit Auszügen daraus beglücken zu können!
Oben, wo das Herz liegt
06.09.2024
Das Herzsutra beginnt ungewöhnlich: während die alten Sutren üblicherweise mit den Worten „evam me suttam“ - „so habe ich gehört…“ - anfangen, beginnt das Herzsutra mit dem Archetyp des Mitgefühls, Bodhisattva Avalokiteshvara. Sie fasst ihre Erfahrung zusammen („Avalokiteshvara Bodhisattva übt von ganzem Herzen die Verwirklichung von Weisheit jenseits von Weisheit. Sie sieht: die fünf Skandhas von Körper und Geist sind leer und befreit alle aus ihrer Bedrängnis“).
Dann wendet sie sich an Shariputra (skt.:Sharadwatiputra). Dieser galt als jemand, welcher der Weisheit und dem Intellekt des Buddhas nur wenig nachstand. Avalokiteshvara spricht hier die Worte aus, für die das Herzsutra berühmt geworden ist: „...Form ist nichts anderes als Leere, Leere nichts anderes als Form...“.
Wir sind geneigt, diese zwei Jahrtausend alten Sätze mit unserem Kopf verstehen zu wollen. Der große Medicus im 5. Jahrhundert vor Christus muss das gewusst haben: es funktioniert nicht.
Durch all die Jahrhunderte hindurch scheint es jedoch Menschen gegeben zu haben, die diese Erfahrungsweisheit erlebt haben – so sehr, dass sie den Text erhaltenswürdig erachtet und bis heute weitergereicht haben.
Kanzeon, von der gesagt wird, dass sie die Rufe und Klagen der Welt hört, hat „verstanden“: „...Leere ist aller Dinge wahre Natur.“
Wenn ich mich berühren lasse, werde ich bewegt. Wenn ich höre, sehe, schmecke, fühle, wird deutlich, dass nichts davon unabhängig von- und zueinander geschehen kann. Alles ist ineinander verwoben, bedingt und untrennbar miteinander verbunden in jenem riesigen, ewig changierenden Kaleidoskop, dass ich „mein“ Leben nenne.
Oder: Leben, denn es ist das unsrige und wiederum auch nicht. Natürlich trägt es meinen Namen und meine Handschrift. Aber nur ein Windstoß reicht, um zu erfahren, wie wasserlöslich beide sind – im Übrigen sind beide ohnehin nur geliehen.
Im Universum von Shariputra und Avalokiteshvara gab es weder „Leere“ noch „Fülle“, weder „Sein“ noch „Nicht-Sein“. Es gibt nur diesen tiefen Strom, der einzig im Dunkeln sichtbar ist und der fortwährend wechselt zwischen Welle und Woge, Ebbe und Flut. Er ist es, der die Substanz aller Wellen bildet. Selbst wenn wir ihn auch nur gelegentlich besuchen, wird es uns niemals mehr an sinnvollen Aufgaben fehlen und wir werden nie wieder einsam oder alleine sein.
Gassho, Juen
Dann wendet sie sich an Shariputra (skt.:Sharadwatiputra). Dieser galt als jemand, welcher der Weisheit und dem Intellekt des Buddhas nur wenig nachstand. Avalokiteshvara spricht hier die Worte aus, für die das Herzsutra berühmt geworden ist: „...Form ist nichts anderes als Leere, Leere nichts anderes als Form...“.
Wir sind geneigt, diese zwei Jahrtausend alten Sätze mit unserem Kopf verstehen zu wollen. Der große Medicus im 5. Jahrhundert vor Christus muss das gewusst haben: es funktioniert nicht.
Durch all die Jahrhunderte hindurch scheint es jedoch Menschen gegeben zu haben, die diese Erfahrungsweisheit erlebt haben – so sehr, dass sie den Text erhaltenswürdig erachtet und bis heute weitergereicht haben.
Kanzeon, von der gesagt wird, dass sie die Rufe und Klagen der Welt hört, hat „verstanden“: „...Leere ist aller Dinge wahre Natur.“
Wenn ich mich berühren lasse, werde ich bewegt. Wenn ich höre, sehe, schmecke, fühle, wird deutlich, dass nichts davon unabhängig von- und zueinander geschehen kann. Alles ist ineinander verwoben, bedingt und untrennbar miteinander verbunden in jenem riesigen, ewig changierenden Kaleidoskop, dass ich „mein“ Leben nenne.
Oder: Leben, denn es ist das unsrige und wiederum auch nicht. Natürlich trägt es meinen Namen und meine Handschrift. Aber nur ein Windstoß reicht, um zu erfahren, wie wasserlöslich beide sind – im Übrigen sind beide ohnehin nur geliehen.
Im Universum von Shariputra und Avalokiteshvara gab es weder „Leere“ noch „Fülle“, weder „Sein“ noch „Nicht-Sein“. Es gibt nur diesen tiefen Strom, der einzig im Dunkeln sichtbar ist und der fortwährend wechselt zwischen Welle und Woge, Ebbe und Flut. Er ist es, der die Substanz aller Wellen bildet. Selbst wenn wir ihn auch nur gelegentlich besuchen, wird es uns niemals mehr an sinnvollen Aufgaben fehlen und wir werden nie wieder einsam oder alleine sein.
Gassho, Juen
Ein Herz aus Tau
04.09.2024
In der Sangha beschäftigen wir uns nach der Sommerpause mit dem Herzsutra, jenem ehrwürdigen, pan-buddhistischen Text, entstanden um die Zeitenwende, dessen Kurzversion an so vielen Orten unserer Praxis weltweit rezitiert wird.
Der Text kann auf verschiedene Weise geatmet werden: als Mantra oder als ein Gemälde, als Gedicht...
Da wir jedoch darüberhinaus zu gerne „verstehen“ möchten, was wir sprechen - hier ein Versuch: Im Herzsutra geht es um „shunyata“ (skt.). Im Deutschen wird dies oft als „Leere“, „Leerheit“, „Nicht-Sein“ übersetzt. Nahezu jedes Zen-Buch spricht davon, fast immer als einen erstrebenswerten, mittels unserer Praxis von uns erreichbaren Zustand. Was aber ist an „Leerheit“ so erstrebenswert?
Ist es ein geheimnisvolles Nichts, das doch etwas ist und auch wiederum nicht? Stellt diese „Leere“ einen Zustand dar, den wir anstreben (sollen), wobei wir nach nichts streben sollen, aber das ist wieder etwas anderes. Dieses Nicht-Sein wird als ein verheißungsvolles Sein beschrieben, dem das Potential innewohnt, unsere Probleme zu lösen und uns glücklicher zu machen. Es scheint jedoch mit unserem Intellekt nicht greifbar zu sein. Ist es tatsächlich unfassbar oder ist es vielleicht nur einigen wenigen Auserwählten vorbehalten?
Unser Alltagsgeist ist es gewohnt, zu unterscheiden. Ich ziehe das an, ich putze mir jetzt die Zähne, ich wähle diese Menschen als meine Freunde, ich möchte auf eine ganz bestimmte Weise leben und so weiter. Dieser unterscheidende Geist wird manchmal als spirituell unbrauchbar beschrieben, was ein wenig zu hart ist. Denn wir entscheiden uns auch für eine bestimmte spirituelle Praxis, wir wählen unsere Lehrer, unsere Kursorte, unsere Sangha. All dies geschieht aktiv und nach Abwägen bestimmter Aspekte. Der Alltagsgeist sorgt dafür, dass wir es im Winter warm haben und im Sommer kühl. Er ist ein guter Geist, nichts an ihm ist minderwertig.
Bis auf die Tatsache, dass er nicht unser gesamtes Erfahrungsspektrum, nicht unser gesamtes Potential, nicht unsere vollumfänglichen Möglichkeiten, den jeweiligen Augenblick zu leben, widerspiegelt. Genau genommen, nur einen kleinen Teil daraus. Die Erfahrung, welche uns die Zen-Praxis eröffnet, weitet den Blick auf eine schier endlose Vielfalt an Möglichkeiten des Lebens und Erlebens. Wir kennen diese bereits aus den Augenblicken stiller Naturbetrachtung, aus Momenten der spontanen Öffnung in unserem Leben oder unserem Zazen.
In unserer Zazenpraxis können wir, sozusagen auf alltäglicher Basis, die Erfahrung machen, dass es eine Wirklichkeit der Abwesenheit von Begrenzungen gibt. Da ist nichts Vorgegebenes. Die gesamte Bandbreite an möglichen Sinnesempfindungen steht uns frei. Sie ist genauso real wie unsere Entscheidung, heute blaue und morgen schwarze Strümpfe zu tragen. Sie ist nur im Zuge unserer geistigen Entwicklung, zu der auch die Anpassung an unsere heutigen Lebensformen samt all ihrer technischen, materiellen und sozialen Errungenschaften gehört, etwas verloren gegangen.
Von dieser Art des weiten Seins, von diesen unseren Möglichkeiten, spricht das Herzsutra. Zu ihr wach zu werden, ist eine unserer wichtigsten Lebensaufgaben.
Diese Welt des Taus
Ist eine Welt des Taus
Und doch
Und doch
Kobayashi Issa
Der Text kann auf verschiedene Weise geatmet werden: als Mantra oder als ein Gemälde, als Gedicht...
Da wir jedoch darüberhinaus zu gerne „verstehen“ möchten, was wir sprechen - hier ein Versuch: Im Herzsutra geht es um „shunyata“ (skt.). Im Deutschen wird dies oft als „Leere“, „Leerheit“, „Nicht-Sein“ übersetzt. Nahezu jedes Zen-Buch spricht davon, fast immer als einen erstrebenswerten, mittels unserer Praxis von uns erreichbaren Zustand. Was aber ist an „Leerheit“ so erstrebenswert?
Ist es ein geheimnisvolles Nichts, das doch etwas ist und auch wiederum nicht? Stellt diese „Leere“ einen Zustand dar, den wir anstreben (sollen), wobei wir nach nichts streben sollen, aber das ist wieder etwas anderes. Dieses Nicht-Sein wird als ein verheißungsvolles Sein beschrieben, dem das Potential innewohnt, unsere Probleme zu lösen und uns glücklicher zu machen. Es scheint jedoch mit unserem Intellekt nicht greifbar zu sein. Ist es tatsächlich unfassbar oder ist es vielleicht nur einigen wenigen Auserwählten vorbehalten?
Unser Alltagsgeist ist es gewohnt, zu unterscheiden. Ich ziehe das an, ich putze mir jetzt die Zähne, ich wähle diese Menschen als meine Freunde, ich möchte auf eine ganz bestimmte Weise leben und so weiter. Dieser unterscheidende Geist wird manchmal als spirituell unbrauchbar beschrieben, was ein wenig zu hart ist. Denn wir entscheiden uns auch für eine bestimmte spirituelle Praxis, wir wählen unsere Lehrer, unsere Kursorte, unsere Sangha. All dies geschieht aktiv und nach Abwägen bestimmter Aspekte. Der Alltagsgeist sorgt dafür, dass wir es im Winter warm haben und im Sommer kühl. Er ist ein guter Geist, nichts an ihm ist minderwertig.
Bis auf die Tatsache, dass er nicht unser gesamtes Erfahrungsspektrum, nicht unser gesamtes Potential, nicht unsere vollumfänglichen Möglichkeiten, den jeweiligen Augenblick zu leben, widerspiegelt. Genau genommen, nur einen kleinen Teil daraus. Die Erfahrung, welche uns die Zen-Praxis eröffnet, weitet den Blick auf eine schier endlose Vielfalt an Möglichkeiten des Lebens und Erlebens. Wir kennen diese bereits aus den Augenblicken stiller Naturbetrachtung, aus Momenten der spontanen Öffnung in unserem Leben oder unserem Zazen.
In unserer Zazenpraxis können wir, sozusagen auf alltäglicher Basis, die Erfahrung machen, dass es eine Wirklichkeit der Abwesenheit von Begrenzungen gibt. Da ist nichts Vorgegebenes. Die gesamte Bandbreite an möglichen Sinnesempfindungen steht uns frei. Sie ist genauso real wie unsere Entscheidung, heute blaue und morgen schwarze Strümpfe zu tragen. Sie ist nur im Zuge unserer geistigen Entwicklung, zu der auch die Anpassung an unsere heutigen Lebensformen samt all ihrer technischen, materiellen und sozialen Errungenschaften gehört, etwas verloren gegangen.
Von dieser Art des weiten Seins, von diesen unseren Möglichkeiten, spricht das Herzsutra. Zu ihr wach zu werden, ist eine unserer wichtigsten Lebensaufgaben.
Diese Welt des Taus
Ist eine Welt des Taus
Und doch
Und doch
Kobayashi Issa