Alles ist geschenkt, alles wird Geschenk
Interessanterweise sprechen wir in unserer Praxis recht selten explizit über Dankbarkeit. Sie erscheint dennoch an vielen Stellen, zum Beispiel in den Essensversen, als Aufforderung und auch als Mahnung, uns daran zu erinnern, wie und woher wir diese Speisen empfangen.
Vielleicht liegt das etwas versteckte Auftreten von Dankbarkeit auch daran, dass in der Zen-Tradition Großzügigkeit und Dankbarkeit immer gemeinsam hervortreten: im dana paramita, der Tugend des Gebens. Die Praxis des dana erkennt, dass keine Trennung besteht zwischen Geschenk, dem Empfänger und meiner Rolle als Gebender.
Kaiser Wu: „Was ist mein Verdienst?“
Bodhidharma: „Nichts.“
Die „drei Räder“, Gebender, Empfänger und Gabe sind immer „leer“: das dana paramita handelt vom freien Geben und freien Empfangen.
Die Praxis des dana kann uns helfen, unsere rauen Ecken weicher werden zu lassen, unserer Kleinlichkeit, Enge und Furcht umzuwenden: im Vertrauen, dass wir schon immer reich beschenkt sind und verbunden sind mit allem und allen.
Für Dogen Zenji bedeutete dana zuallererst: nicht anhaften, nicht stehen bleiben, mitschwingen: „…selbst ein Grashalm ist ein Schatz, den wir geben sollen – so lassen wir die Wurzeln des Guten wachsen.“
„Im täglichen Leben, in Arbeit und Geschäft gibt es nichts, was kein Akt des Gebens ist.“
„…das Empfangen des Körpers und das Loslassen des Körpers sind Akte des Gebens.“
(aus Bodaisatta Shishoho)
Geben und Empfangen auf diese Weise zu verstehen, ist gewaltig und lässt nichts in unserem Leben aus: alles ist geschenkt, alles wird Geschenk.
In der Praxis von dana geht es daher weniger um die Inhalte an sich (die „Gaben“), sondern um unser Inneres, unsere Haltung , unser Herz und die Art und Weise, wie wir die An-Fragen dieser Welt beantworten.
Wir befinden uns hierbei immer irgendwo auf dem Kontinuum zwischen eng/engherzig und weit, eingeschlossen/dunkel und offen/hell, starr/erstarrt und nachgiebig/verzeihend, besitzbar/unveränderlich und frei/flexibel antwortend.
Auf diesem Kontinuum, dem Strom unseres Lebens folgend, befindet sich jeweils der Ort sowie der Raum, an dem unsere Übung gerade ihren Platz hat, hier findet sie momentan statt. Wir können diesem Ruf einfach folgen.
Wir müssen hierzu nicht perfekt sein. Es genügt, unserem Gelübde immer wieder aufs Neue zu folgen: zum Wohle aller zu üben.
Das ist alles.
Ein Mönch fragte Baizhang:
„Warum ist das Geben das Eintrittstor zum Bodhisattva-Weg?“
Baizhang antwortete:
„Dies ist so, weil die Übung des Gebens eine Übung des Loslassens ist.“
Der Mönch fragte daraufhin:
„Was wird denn losgelassen?“
Baizhang sagte:
„Du lässt enge Sichtweisen los. Du lässt die Vorstellung los, dass die Dinge klein sind und fest, begreifbar und besitzbar.“
(Baizhang Huaihai - jap. : Hyakujō Ekai - Zen-Meister zur Zeit der Tang-Dynastie, 8. Jhdt.)
Gassho,
Juen & Nanzan