Trauer
28.09.2021
Der Herbst rückt voran
und ich werde
ein wenig traurig
beim Verschließen des Tores
zu meiner Grashütte
Ryokan
Neulich haben wir uns nach vielen Monaten erstmalig wieder im Zendo getroffen. Neben der Freude, alle wiederzusehen und endlich erneut gemeinsam zu sitzen, lag auch ein bisschen Wehmut im Raum – über versäumte Sanghastunden, Mitglieder, die nicht kommen oder die nicht mehr kommen können. Über Veränderungen, welche die Pandemie unserer Gruppe auferlegt hat und Veränderungen, die wir in der Zwischenzeit in unseren Leben erfahren haben. Trauer wie auch Hoffnung stellen universale menschliche Erfahrungen dar. Sie haben die letzten 19 Monate erheblich mitgeprägt – wie sehr, das werden wir vielleicht erst in den kommenden Jahren merken.
Und natürlich empfinden wir immer Trauer, ob wir diese als solches wahrnehmen oder nicht: Dinge, die wir verloren haben, Wünsche, Träume oder Lebens-Hoffnungen, die zerplatzt sind.
Verpasste Gelegenheiten. Nicht gesagt zu haben, oder nicht getan zu haben, was in dem jeweiligen Moment wichtig und richtig war und dies in einer Situation der Unwiederholbarkeit. Älter zu werden und dies körperlich zu spüren.
Beispiele aus frühen buddhistischen Schriften scheinen anzudeuten, dass das Ziel unserer Übung ein Zustand ist, in dem wir nicht trauern, weil wir die Veränderlichkeit allen Seins vollkommen akzeptiert haben und ihr gegenüber unempfindlich - ausgeglichen geworden sind. Auch im Zen kann man leicht den Eindruck bekommen, dass Emotionen per se hinderlich sind und dass wir mit zunehmender spirituellen Reife keine Trauer mehr empfinden und stattdessen in Gleichmut verweilen können und werden.
Das wäre zu einseitig!
Es gibt viele, zutiefst berührende Beispiele in der Zen-Geschichte über traurige Lehrer, von Ikkyu bis Ryokan, von Meister Dogen bis Shunryu Suzuki, die untröstlich waren wegen einer zerbrochenen Schale, herabfallendem Laub – oder dem Versterben ihrer Schülerinnen und Schüler.
Trauern ist menschlich. Zen ist eine Praxis, um menschlicher zu werden. Mit jedem Zazen, mit jedem Atemzug. Und nichts dabei außen vor zu lassen. Das ist ohnehin unmöglich.
Holen wir es also besser liebevoll in unseren Fokus, auch wenn gerade Trauer überwältigend und äußerst schmerzhaft sein kann. Auch wenn sie nie endet.
Als Bodhisattvas sind wir auch dazu aufgerufen, den Schmerz anderer - wie den eigenen - zu empfinden. „Karuna“ als Maß der Weite jenseits aller Selbstbezogenheit. Karuna als weises Mittel, um uns mit allem und mit allen noch etwas verbundener zu fühlen. So gesehen liegen Trauer, Zuversicht und Liebe eng beisammen. Wir verwandeln auf unserem Weg eins ins andere. Jedes Mal, wenn wir uns hinsetzen, jedes Mal, wenn wir einen bewussten Atemzug machen.
Jedes Mal, wenn wir unsere Absicht ausrichten. Wo liegt dann noch unsere Trauer?
Gassho, Juen
und ich werde
ein wenig traurig
beim Verschließen des Tores
zu meiner Grashütte
Ryokan
Neulich haben wir uns nach vielen Monaten erstmalig wieder im Zendo getroffen. Neben der Freude, alle wiederzusehen und endlich erneut gemeinsam zu sitzen, lag auch ein bisschen Wehmut im Raum – über versäumte Sanghastunden, Mitglieder, die nicht kommen oder die nicht mehr kommen können. Über Veränderungen, welche die Pandemie unserer Gruppe auferlegt hat und Veränderungen, die wir in der Zwischenzeit in unseren Leben erfahren haben. Trauer wie auch Hoffnung stellen universale menschliche Erfahrungen dar. Sie haben die letzten 19 Monate erheblich mitgeprägt – wie sehr, das werden wir vielleicht erst in den kommenden Jahren merken.
Und natürlich empfinden wir immer Trauer, ob wir diese als solches wahrnehmen oder nicht: Dinge, die wir verloren haben, Wünsche, Träume oder Lebens-Hoffnungen, die zerplatzt sind.
Verpasste Gelegenheiten. Nicht gesagt zu haben, oder nicht getan zu haben, was in dem jeweiligen Moment wichtig und richtig war und dies in einer Situation der Unwiederholbarkeit. Älter zu werden und dies körperlich zu spüren.
Beispiele aus frühen buddhistischen Schriften scheinen anzudeuten, dass das Ziel unserer Übung ein Zustand ist, in dem wir nicht trauern, weil wir die Veränderlichkeit allen Seins vollkommen akzeptiert haben und ihr gegenüber unempfindlich - ausgeglichen geworden sind. Auch im Zen kann man leicht den Eindruck bekommen, dass Emotionen per se hinderlich sind und dass wir mit zunehmender spirituellen Reife keine Trauer mehr empfinden und stattdessen in Gleichmut verweilen können und werden.
Das wäre zu einseitig!
Es gibt viele, zutiefst berührende Beispiele in der Zen-Geschichte über traurige Lehrer, von Ikkyu bis Ryokan, von Meister Dogen bis Shunryu Suzuki, die untröstlich waren wegen einer zerbrochenen Schale, herabfallendem Laub – oder dem Versterben ihrer Schülerinnen und Schüler.
Trauern ist menschlich. Zen ist eine Praxis, um menschlicher zu werden. Mit jedem Zazen, mit jedem Atemzug. Und nichts dabei außen vor zu lassen. Das ist ohnehin unmöglich.
Holen wir es also besser liebevoll in unseren Fokus, auch wenn gerade Trauer überwältigend und äußerst schmerzhaft sein kann. Auch wenn sie nie endet.
Als Bodhisattvas sind wir auch dazu aufgerufen, den Schmerz anderer - wie den eigenen - zu empfinden. „Karuna“ als Maß der Weite jenseits aller Selbstbezogenheit. Karuna als weises Mittel, um uns mit allem und mit allen noch etwas verbundener zu fühlen. So gesehen liegen Trauer, Zuversicht und Liebe eng beisammen. Wir verwandeln auf unserem Weg eins ins andere. Jedes Mal, wenn wir uns hinsetzen, jedes Mal, wenn wir einen bewussten Atemzug machen.
Jedes Mal, wenn wir unsere Absicht ausrichten. Wo liegt dann noch unsere Trauer?
Gassho, Juen