Von hier nach dort

Von hier nach dort.
Weder hier noch dort.
Dort, hier.
Oder doch nicht?
 
Bis Januar haben wir uns mit Dogens „Fukanzazengi“ befasst. Ein kurzes, berühmt gewordenes Kapitel, in dem es unter anderem um unsere Haltung, unsere Herangehensweise zum Zazen und zu unserer Übung insgesamt geht.
 
„Strebe nicht danach, ein Buddha zu werden.
Übe Dich im Rückzug, wende das Licht nach innen und beleuchte das Selbst. Löse Dich von allen Bindungen und lass die zehntausend Dinge ruhen.“
 
Anstrengen oder nicht? Alles darauf setzen, meine gesamte Energie - oder die Dinge „kommen und gehen lassen“? Es ist Dogens Lebensfrage, die er sich bereits als junger Mönch stellte: wenn alles bereits vorhanden ist – wir angekommen sind und wach, wieso uns dann noch anstrengen?
„Die wahre Lehre ist frei verfügbar... im gesamten Universum gibt es nicht das kleinste Staubkorn. Warum sollten wir uns anstrengen, es zu fegen?“

Und doch und doch – wissen wir alle, dass dies nur die halbe Wahrheit darstellt. Um uns hinzusetzen, einzuloggen, ganz allgemein, um Zeit für unsere Praxis bereit zu stellen, sind Anstrengungen notwendig. Ganz zu schweigen von der täglichen Anstrengung, unser Leben als Bodhisattvas auszurichten und immer wieder neu dahin zu tarieren. Das ist unmöglich ohne Anstrengung, Willensstärke und Disziplin. Doch wie viel davon ist nötig, damit wir nicht ermüden oder abschweifen?

Wie halten wir es mit unserem Gleichgewicht zwischen Anspannung und Ent-Spannung?
Wann gelingt es uns, die zehntausend Dinge wahrzunehmen und ihnen zu folgen?
Welchen Geisteszustand benötige ich, um sie wahrzunehmen?
Für welche Ziele / Absichten strenge ich mich besonders gerne an, wann fällt es mit leicht?  
Was ist für mich schwieriger: Disziplin oder Loslassen (Entspannen / den Dingen zu folgen)?
 
Der alte Meister gibt uns in einem weiteren Kapitel auch hierüber Aufschluss:
Vor langer Zeit fragte ein Mönch einen alten Meister: „Wenn hunderte, tausende, zahllose Objekte alle auf einmal kommen, was soll ich tun?“
Der Meister antwortete: „Versuche nicht, sie zu kontrollieren.“
 
Dogens Kommentar:
Er meint, auf welche Weise auch immer die Dinge erscheinen, versuche nicht, sie zu verändern. Was immer dir begegnet ist das Buddhadharma und kein Objekt. Verstehe des Meisters Antwort nicht als eine nur dringliche Ermahnung, sondern erkenne, dass dies die Wahrheit ist. Selbst wenngleich Du versuchst, zu kontrollieren was kommt - es kann nicht kontrolliert werden.
 
Yuibutsu Yobutsu (Shobogenzo)
 
Wenn ich alles, von Kiesel bis Corona-Demo, von Tierwohl bis hin zu meinen Freundschaften, als „kein Objekt“, als Buddhas Lehre, Erscheinung und Handlungaufforderung zum Wohle aller erfassen kann, gibt es keine Frage, ob und wann ich mich wie anstrengen muss und wann eben nicht.
Es gibt nur ein großes Ich – überall, das frei nach Anlass flottieren und mit jedem Ding, das da kommt, eine Unterhaltung beginnen kann. Sei sie poetisch und assoziativ, sei sie praktisch und erdfarben. Im Buddhadharma ist Platz für alle und am besten zeigt sich dies in nahezu sekündlichen Wechselspiel auf dem Kissen:
Ein-aus. Anstrengen, lockern. Fokussieren, spielen. Rückzug, Marktplatz.
Eigentlich total spannend, dieses Leben!

Gassho, Juen


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