Ein Herz aus Tau
04.09.2024
In der Sangha beschäftigen wir uns nach der Sommerpause mit dem Herzsutra, jenem ehrwürdigen, pan-buddhistischen Text, entstanden um die Zeitenwende, dessen Kurzversion an so vielen Orten unserer Praxis weltweit rezitiert wird.
Der Text kann auf verschiedene Weise geatmet werden: als Mantra oder als ein Gemälde, als Gedicht...
Da wir jedoch darüberhinaus zu gerne „verstehen“ möchten, was wir sprechen - hier ein Versuch: Im Herzsutra geht es um „shunyata“ (skt.). Im Deutschen wird dies oft als „Leere“, „Leerheit“, „Nicht-Sein“ übersetzt. Nahezu jedes Zen-Buch spricht davon, fast immer als einen erstrebenswerten, mittels unserer Praxis von uns erreichbaren Zustand. Was aber ist an „Leerheit“ so erstrebenswert?
Ist es ein geheimnisvolles Nichts, das doch etwas ist und auch wiederum nicht? Stellt diese „Leere“ einen Zustand dar, den wir anstreben (sollen), wobei wir nach nichts streben sollen, aber das ist wieder etwas anderes. Dieses Nicht-Sein wird als ein verheißungsvolles Sein beschrieben, dem das Potential innewohnt, unsere Probleme zu lösen und uns glücklicher zu machen. Es scheint jedoch mit unserem Intellekt nicht greifbar zu sein. Ist es tatsächlich unfassbar oder ist es vielleicht nur einigen wenigen Auserwählten vorbehalten?
Unser Alltagsgeist ist es gewohnt, zu unterscheiden. Ich ziehe das an, ich putze mir jetzt die Zähne, ich wähle diese Menschen als meine Freunde, ich möchte auf eine ganz bestimmte Weise leben und so weiter. Dieser unterscheidende Geist wird manchmal als spirituell unbrauchbar beschrieben, was ein wenig zu hart ist. Denn wir entscheiden uns auch für eine bestimmte spirituelle Praxis, wir wählen unsere Lehrer, unsere Kursorte, unsere Sangha. All dies geschieht aktiv und nach Abwägen bestimmter Aspekte. Der Alltagsgeist sorgt dafür, dass wir es im Winter warm haben und im Sommer kühl. Er ist ein guter Geist, nichts an ihm ist minderwertig.
Bis auf die Tatsache, dass er nicht unser gesamtes Erfahrungsspektrum, nicht unser gesamtes Potential, nicht unsere vollumfänglichen Möglichkeiten, den jeweiligen Augenblick zu leben, widerspiegelt. Genau genommen, nur einen kleinen Teil daraus. Die Erfahrung, welche uns die Zen-Praxis eröffnet, weitet den Blick auf eine schier endlose Vielfalt an Möglichkeiten des Lebens und Erlebens. Wir kennen diese bereits aus den Augenblicken stiller Naturbetrachtung, aus Momenten der spontanen Öffnung in unserem Leben oder unserem Zazen.
In unserer Zazenpraxis können wir, sozusagen auf alltäglicher Basis, die Erfahrung machen, dass es eine Wirklichkeit der Abwesenheit von Begrenzungen gibt. Da ist nichts Vorgegebenes. Die gesamte Bandbreite an möglichen Sinnesempfindungen steht uns frei. Sie ist genauso real wie unsere Entscheidung, heute blaue und morgen schwarze Strümpfe zu tragen. Sie ist nur im Zuge unserer geistigen Entwicklung, zu der auch die Anpassung an unsere heutigen Lebensformen samt all ihrer technischen, materiellen und sozialen Errungenschaften gehört, etwas verloren gegangen.
Von dieser Art des weiten Seins, von diesen unseren Möglichkeiten, spricht das Herzsutra. Zu ihr wach zu werden, ist eine unserer wichtigsten Lebensaufgaben.
Diese Welt des Taus
Ist eine Welt des Taus
Und doch
Und doch
Kobayashi Issa
Der Text kann auf verschiedene Weise geatmet werden: als Mantra oder als ein Gemälde, als Gedicht...
Da wir jedoch darüberhinaus zu gerne „verstehen“ möchten, was wir sprechen - hier ein Versuch: Im Herzsutra geht es um „shunyata“ (skt.). Im Deutschen wird dies oft als „Leere“, „Leerheit“, „Nicht-Sein“ übersetzt. Nahezu jedes Zen-Buch spricht davon, fast immer als einen erstrebenswerten, mittels unserer Praxis von uns erreichbaren Zustand. Was aber ist an „Leerheit“ so erstrebenswert?
Ist es ein geheimnisvolles Nichts, das doch etwas ist und auch wiederum nicht? Stellt diese „Leere“ einen Zustand dar, den wir anstreben (sollen), wobei wir nach nichts streben sollen, aber das ist wieder etwas anderes. Dieses Nicht-Sein wird als ein verheißungsvolles Sein beschrieben, dem das Potential innewohnt, unsere Probleme zu lösen und uns glücklicher zu machen. Es scheint jedoch mit unserem Intellekt nicht greifbar zu sein. Ist es tatsächlich unfassbar oder ist es vielleicht nur einigen wenigen Auserwählten vorbehalten?
Unser Alltagsgeist ist es gewohnt, zu unterscheiden. Ich ziehe das an, ich putze mir jetzt die Zähne, ich wähle diese Menschen als meine Freunde, ich möchte auf eine ganz bestimmte Weise leben und so weiter. Dieser unterscheidende Geist wird manchmal als spirituell unbrauchbar beschrieben, was ein wenig zu hart ist. Denn wir entscheiden uns auch für eine bestimmte spirituelle Praxis, wir wählen unsere Lehrer, unsere Kursorte, unsere Sangha. All dies geschieht aktiv und nach Abwägen bestimmter Aspekte. Der Alltagsgeist sorgt dafür, dass wir es im Winter warm haben und im Sommer kühl. Er ist ein guter Geist, nichts an ihm ist minderwertig.
Bis auf die Tatsache, dass er nicht unser gesamtes Erfahrungsspektrum, nicht unser gesamtes Potential, nicht unsere vollumfänglichen Möglichkeiten, den jeweiligen Augenblick zu leben, widerspiegelt. Genau genommen, nur einen kleinen Teil daraus. Die Erfahrung, welche uns die Zen-Praxis eröffnet, weitet den Blick auf eine schier endlose Vielfalt an Möglichkeiten des Lebens und Erlebens. Wir kennen diese bereits aus den Augenblicken stiller Naturbetrachtung, aus Momenten der spontanen Öffnung in unserem Leben oder unserem Zazen.
In unserer Zazenpraxis können wir, sozusagen auf alltäglicher Basis, die Erfahrung machen, dass es eine Wirklichkeit der Abwesenheit von Begrenzungen gibt. Da ist nichts Vorgegebenes. Die gesamte Bandbreite an möglichen Sinnesempfindungen steht uns frei. Sie ist genauso real wie unsere Entscheidung, heute blaue und morgen schwarze Strümpfe zu tragen. Sie ist nur im Zuge unserer geistigen Entwicklung, zu der auch die Anpassung an unsere heutigen Lebensformen samt all ihrer technischen, materiellen und sozialen Errungenschaften gehört, etwas verloren gegangen.
Von dieser Art des weiten Seins, von diesen unseren Möglichkeiten, spricht das Herzsutra. Zu ihr wach zu werden, ist eine unserer wichtigsten Lebensaufgaben.
Diese Welt des Taus
Ist eine Welt des Taus
Und doch
Und doch
Kobayashi Issa