Vom Fuß voran und vom Fuß hintan

Der sechste Ahne Huineng war auf Reisen und übernachtete im Kloster Faxing unter dem Tempelvordach. Während er sein Lager vorbereitete, hörte er ein Streitgespräch von zwei Mönchen. Der eine von ihnen sagte: „Du siehst doch, dass die Tempelfahne sich bewegt.“
Der andere antwortete: „Nein, der Wind bewegt sich.“
So ging es für eine Weile hin und her, ohne dass sie sich einigen konnten.
Der sechste Ahne ging daraufhin auf sie zu und sprach: “Würdet Ihr bitte so freundlich sein und diesem Laien erlauben, mich zu Eurer erhabenen Runde hinzuzugesellen?“
Nach einer Pause sagte er: “Weder der Wind noch die Fahne sind es, die sich bewegen. Es ist ganz einfach Euer Geist, der sich bewegt.“

Was war zuerst da, Ursache oder Wirkung? Normalerweise denken wir, dass eine Ursache eine Wirkung entfacht, aber funktioniert es auch andersum?

Unsere Sicht der Welt wird bestimmt durch den Fokus unserer Aufmerksamkeit. Lege ich diesen auf meine Intention, kann ich in meinem Wirkungskreis Kriege entfachen oder Frieden hervorbringen. Wo sitzt meine Intention? Wie wird sie beeinflusst? Wo vernehme ich sie in meinem Körper? Welche Gestalt möchte ich ihr jeweils geben?

Seit Heisenberg wissen wir, dass jede Art von Beobachtung die Existenz der beobachteten Objekte beeinflusst. Nun geht in unserer Praxis weder um Atomphysik, noch um Psychotherapie oder um philosophische Diskurse.

Es geht darum, die Bewegung - bis in das feinste Lüftchen - unseres Geistes wahrzunehmen. Um daraufhin zu entscheiden, welche Winde wir in Handlungen umwandeln möchten und welche wir besser durch uns durch wehen lassen sollten.

Was möchten wir bewegen? Wofür möchten wir uns bewegen lassen? Und wie können wir beides miteinander verbinden?

Der ganze Körper ist wie ein Mund
der im Raum hängt -
nicht fragend, ob der Wind aus Osten,
Westen, Süden oder Norden weht.
Für die gesamte Welt gleich,
lehrt die Windglocke Prajna:
ju ten ton ri an ju ten ton.

Tendo Nyojo

Gassho, Juen

RNI-Films-IMG-FB3EBBA9-CFF6-4DD4-8024-4FC5B5FFB1B9